Anlagevermittlung oder Anlagenberatung

Anlageberatung und Anlagevermittlung: erhebliche Unterschiede

Nach § 1 abs. 1a KWG und § 2 Abs. 3 WpHG handelt es sich bei Anlagevermittlung und Anlageberatung um zwei unterschiedliche Tätigkeiten. Finanzanlagenvermittler dürfen beide Tätigkeiten ausführen, wenn sich diese auf offene und geschlossene Fonds sowie auf Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz handelt. Die Pflichten der Finanzanlagenvermittler unterscheiden sich erheblich, je nachdem ob sie die Anlagevermittlung oder die Anlageberatung betreiben.

Gesetzliche Definition

In der Praxis zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen beiden Tatbeständen Schwierigkeiten bereitet. Es herrscht eine große Unsicherheit vor. Nachfolgend soll der Versuch unternommen werden, etwas Klarheit zu verschaffen. Zunächst die Legaldefinition aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).

§ 2 Abs. 3 WpHG

(3) Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind …

4. die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung), …

9. die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung).

Anlageberatung ist anspruchsvoller

Bereits am umfassenden Gesetzestext wird deutlich, dass die Anlageberatung wesentlich anspruchsvoller ist. Sie bietet den Anlegern einen wesentlich höheren Schutz als die bloße Anlagevermittlung. Die Rechtsprechung des BGH gegenüber Banken fällt entsprechend restriktiv aus. Sie geht generell von Anlagerberatung aus. Ob dies auch für Finanzanlagenvermittler gilt, darf bezweifelt werden. Anders als bei Banken wird ein Anleger einem Finanzanlagenvermittler nicht den gleichen Vertrauensvorschuss gewähren. Auch hat m.E. der Gesetzgeber durch die Wahl der Bezeichnung „Finanzanlagenvermittler“ deutlich gemacht, dass die Anlagevermittlung der Regelfall sein soll.

Produktberatung ist zulässig bei der Anlagevermittlung

Häufig wird argumentiert, eine Vermittlung ohne Beratung kann es gar nicht geben. Dabei wird jedoch nicht die gesetzliche Definition der Anlageberatung beachtet. Eine solche liegt nicht bereits dann vor, wenn eine Produktberatung erfolgt. Vielmehr stellt der Tatbestand der Anlagevermittlung auf die Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers ab. Das Ergebnis der Prüfung führt zu einer persönlichen Empfehlung, die für den Anleger mit dessen Voraussetzungen und Bedürfnissen geeignet sein muss.

Der Kunde muss wissen was er tut

Bei der Anlagevermittlung wird hingegen vorausgesetzt, dass der Anleger weiß was er tut. Es muss lediglich geprüft werden, ob der Anleger die mit der Anlage verbundenen Risiken versteht. Einer Vermittlung innewohnend ist, den Kunden vom Produkt zu überzeugen. Einher mit der Anlagevermittlung geht also stets auch eine produktbezogene Beratung.

Beurteilung nach den Gesamtumständen im Einzelfall

Ob eine Anlagevermittlung oder eine Anlageberatung vorliegt, ergibt sich im Zweifel aus den Gesamtumständen des Einzelfalls. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass bei der Anlagevermittlung der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht (Produktverkauf), während die Anlageberatung eine auf die persönlichen Verhältnisse des Anlegers zugeschnittene Beratung bietet (persönliche Beratung) und das jeweilige Geschäft für den Anleger als vorteilhaft und in seinem Interesse liegend darstellt.

Wer sich wie ein Berater verhält, wird wie ein Berater behandelt

Wenn Vermittler sich als Berater bezeichnen, laufen sie Gefahr, insoweit bei ihren Kunden auch für Beratungskompetenz Vertrauen in Anspruch zu nehmen. Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont, das heißt, wie Kunden den Gesamtauftritt, Erklärungen und Arbeitsweise des Vermittlers verstehen.

Indizien für Anlagevermittlung

Der Vermittler tritt als Repräsentant des Produktanbieters auf, keine Produktauswahl und Produktbewertung, Produktverkauf steht im Vordergrund

Indizien für Anlageberatung

Eindruck einer objektiven Beratung wird vermittelt, Produktauswahl wird am Anlegerinteresse ausgerichtet, Produkte werden bewertet, es werden umfangreiche Informationen eingeholt und auch dokumentiert. Es wird ein Beratungsprotokoll erstellt.

Klärung des Auftreten im Vorfeld

Finanzanlagenvermittler sind gut beraten, ihr Auftreten gegenüber Kunden im Vorfeld gründlich zu klären. Wer als Berater auftritt, muss im Zweifel für Beratung haften. Wer nur vermitteln will, aber sich wie ein Anlageberater verhält, muss sich auch als solchen behandeln lassen.

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